Briefmarkensammler-Verein Münchberg


Porträt eines 40jährigen B.S.V

von Dr. Walter Schachner (aus der Festschrift 1979)
 

Der "Briefmarkensammler-Verein Münchberg e.V." (BSV) feiert heuer sein 40jähriges Jubiläum. Es gibt wesentlich ältere und wesentlich jüngere Vereine; es gibt auch sehr viel größere und kleinere Vereine. So könnte man sagen: unser BSV Münchberg ist guter Durchschnitt, und die Vereinsgeschichte ist schnell erzählt, und doch gibt es vielleicht einiges, was aus dem üblichen Rahmen herausfallen könnte.

Das Protokollbuch weist den 6. Februar 1939 als Gründungsdatum nach. Obwohl sehr bald die Schatten des Krieges über der Vereinsgeschichte lagen (Einberufungen zur Wehrmacht, Materialmangel, Luftalarme), weist die erste Phase des Vereins doch bemerkenswerte Aktivitäten auf. Immer wieder wurde die Gründung einer Jugendgruppe oder die Gründung eines Zweigvereins in Helmbrechts diskutiert. Von den Amtsträgern der Jahre 1939 bis 1945 sind einige noch heute aktive Mitglieder, so Max Pawlik (damals Vereinsführer, auch nach seiner Einberufung), Karl Haberstumpf (der als vorläufiger Schriftführer bei der Gründung fungierte) und Hans Ebner (erst Tauschobmann, dann Schriftführer).

Es ist nicht ohne Reiz, in dem alten Protokollbuch zu blättern. Unter dem 1. April 1940 findet sich der befremdende Satz: "Der Reichsbund hat verschiedene Postkarten mit Sonderstempeln angeboten. Eine Umfrage bei den Mitgliedern hat ergeben, dass für derartige Sachen kein Interesse besteht; es wird daher in Zukunft ein Angebot in Ganzsachen den Mitgliedern gar nicht mehr zur Kenntnis gebracht." - 3. Juni 1940: "Der Reichsbund bringt seinen Mitgliedern zur Kenntnis, dass der Tausch mit dem Ausland bis auf weiteres, auch von gebrauchten Marken, verboten ist". - 4. August 1941: "Verschiedene Zeitschriften sind durch die Ungunst der Zeit gezwungen, ihr Erscheinen einzustellen." - 6. Oktober 41: "Der Michelkatalog wurde um 1,50 Mark verkauft", - 1. Dezember 1941: "Durch die Unterstellung des Reichsbundes unter die NS-Gemeinschaft Kraft durch Freude ist die Einheitsorganisation der deutschen Briefmarkensammler Tatsache geworden. Wie sich diese Unterstellung auswirkt, muss die Zukunft lehren." - 2. August 43: "Eine große Anzahl der Mitglieder hatte sich entschuldigt, weil sie mit der Unterbringung der bombengeschädigten Hamburger beschäftigt sind. ....konnte sich kein Tauschgeschäft entwickeln, Auch in der Liebhaberei des Briefmarkensammelns macht sich die herrschende tiefe Not unseres Vaterlandes bemerkbar. Wer hat noch viel Freude an den kleinen vergänglichen Papierchen, wenn alles auf dem Spiel steht." - 4. Oktober 1943: "Es macht dem Vereinsführer keinen Spaß, nur Neuheitenausgabestelle zu sein, besonders wenn die meisten Mitglieder noch darauf warten, dass der Vereinsführer die Neuheiten ihnen ins Haus bringe. Nachdem sich anscheinend in den Reihen der Mitglieder der Händlergeist eingeschlichen hat, kam kein Tauschgeschäft zustande. Sk. Hegenberger teilte zur Illustration dieser Tatsache mit, dass jetzt für ein schönes Stück Bayern 1 Kr. schwarz 4000 RM verlangt und leider bezahlt werden. Mit Philatelie hat dies bestimmt nichts mehr zu tun." - 3. April 1944: "Sodann wurde die Mitteilung des Gausammlerwartes bekanntgegeben, dass die neuen Michelkataloge kontingentiert den Vereinen zugeteilt werden ...... Ein Tauschverkehr kam nicht zustande, da jeder auf seinen "Schätzen" sitzt." - 3. Juli 1944: "Die Versammlungen werden immer mehr zu einer bloßen Neuheiten-Ausgaben-Abhol-Gelegenheit mit ein paar Glas Dünnbier, um den faden Eindruck über die Interesselosigkeit hinabzuspülen." - 8. Januar . 1945: Der Tauschverkehr "wird nach und nach ersetzt durch das Herumzeigen der Schätze der Besitzenden und die Stielaugen der Nichtbesitzenden." - 9. April 45: "....waren nur 3 Mitglieder und 2 Soldatengäste erschienen. Dr. Dittmar begrüßte die Erschienenen, die trotz Fliegeralarms und Ausbleibens des elektrischen Lichtes gekommen waren. Bei magischer Bunkerkerzenbeleuchtung begann die Sitzung in qualvoll drückender Beengung durch wartende Soldaten, die auf die nichtgehenden Züge warteten (Bombardierung von Hof!). Dazu gab es nicht einmal Dünnbier. Erst auf inständiges Bitten wurden uns Stammgästen nach einer Stunde 2 Glas Bier gegeben. Dann kam Licht." - Dies war vorläufig die letzte Niederschrift über eine Mitgliederversammlung.

Die Zeit von 1946 bis 1960 wurde überbrückt durch eine lockere philatelistische Stammtischrunde, die sich bemühte, die Tradition fortzusetzen. Erst am 18. Oktober 1960 kam es zur Wiedergründung des Vereins. Da der Verein offiziell niemals aufgelöst worden war, müsste man besser von einer Wiederbelebung sprechen.

Die Vorsitzenden des Vereins waren:

Max Pawlik 1939 bis 1945 (1940 bis 1945 vertreten durch Dr. Dittmar) und 1960/61,

Arhur Nittel 1961 bis 1978;

Walter Roßner 1978/79 (kommissarisch); Dr. Walter Schachner seit 1979.

Mitgliederstärke: 1939 bei der Gründung 14 Mitglieder

1945 am Ende der 1. Phase 38 1960 am Beginn der 2. Phase 54 1979 (Stichtag Ostern 79) 88

(davon 12 in der Jugendgruppe). Vereinslokale: Hotel Adler 1939 bis 1944

Hotel Braunschweiger Hof 1944 bis 1945

Hotel Adler 1946 bis 1960

Gaststätte Harmonie 1960 bis 1976

Café< Frey ab 1976

Seit 1961 existiert eine Jugendgruppe, aus der schon mancher ernsthafte Philatelist hervorgegangen ist. Der Jugendarbeit hat der BSV immer seine besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Zur Aktivität des Vereins zählt auch die Ausrichtung größerer Ausstellungen, die weit über den engeren Rahmen Oberfrankens hinaus bekannt worden sind: Mübria eins von 1964, Mübria zwei von 1969 und Mübria drei von 1974. Der Sonderstempel von 1964 zeigte die drei bayerischen Mühlradstempel, die in Münchberg verwendet wurden. Der Sonderstempel von 1969 bildete die seltene Münchberger Halbierung von 1866 ab, und der Sonderstempel von 1974 bot den ersten bayerischen Bahnpoststempel der Strecke Hof - Nürnberg mit dem Stationsnamen Münchberg, während der Sonderstempel von 1979 mit dem Stadtwappen aufwartet.
 

Stempel1


Seit den Tagen des verdienstvollen Vorsitzenden Arthur Nittel war es ein ungeschriebenes Gesetz, dass bei jedem Philatelistischen Frühschoppen und bei jedem Vereinsabend ein kleines, oft abseitiges, Exponat gezeigt wurde, wobei der betreffende Sammlerfreund seine Vorlage erläuterte. So kam es, dass jede Zusammenkunft einen philatelistischen Sinn hatte, was immer auch philatelistischen Gewinn bedeutete.

Dem Jubiläumsausschuss gehören an: Dr. Walter Schachner als 1. Vorsitzender,

Dr. Karl Bergrath als 2. Vorsitzender, Walter Roßner als 3. Vorsitzender, Heinz Schobert als Kassenwart, Kurt Reichel als Schriftführer, Frau Brannaschk als Pressewartin, Frau Öhrlein als Neuheitenwartin, Georg Stasch als Rundsendeleiter und Klaus Weisheit als außerordentliches Mitglied.

Philatelistische Tätigkeit, sei es eines einzelnen Sammlers oder eines Vereins, vollzieht sich im Allgemeinen in der Stille, unbeachtet von der Öffentlichkeit, die auf Spektakuläres achtet. Nur alle paar Jahre einmal tritt so eine Philatelistenvereinigung ins helle Rampenlicht. Und doch gibt es vieles, was auch ein Nichtphilatelist bedenken sollte. Wachsende Freizeit bei wachsendem Stress: das ist das Problem der Zukunft. Die Beschäftigung mit der bunten Welt der Briefmarken zählt nicht nur zu den sinnvollsten Möglichkeiten, Freizeit zu gestalten, sondern kann auch dem Stress einen entspannenden Ausgleich entgegensetzen. Auch Ärzte und Psychologen haben schon erkannt, dass philatelistische Tätigkeit die beste Therapie für Stressgeschädigte sein kann.

Jeder junge Sammler kommt darauf, dass man auf diesem Gebiet sehr viel lernen und wissen muss, denn Philatelie fängt da an, wo der Michelkatalog aufhört, wie ein bekanntes Wort besagt. Somit liegt unser Hobby ganz auf der Linie der viel beschworenen Volksbildung. - Dass sich grenzüberspringende Freundschaften unter Sammlerfreunden entwickeln, ist ein beachtliches Gegengewicht gegen die wachsende Kontaktlosigkeit unter modernen Menschen und hat eine große Bedeutung unter gesamtdeutschen, europäischen oder menschheitlichen Aspekten. Man übersehe auch nicht, dass die Philatelie die Hohe Schule der Toleranz sein kann. Es kann durchaus ein Antifaschist die Marken des Dritten Reiches sammeln, ein Antileninist DDR, ein Gegner des Kolonialismus Deutsch-Ostafrika, ein Antisemit Israel, ein entschiedener Materialist christliche Motive, ein überzeugter Republikaner gekrönte Häupter, und ein Heimatvertriebener vermag mit einem tschechischen Sammler zu korrespondieren. Dies alles ist möglich, denn das Interessengebiet des Sammlers muss nicht mit seinem "Glaubensbekenntnis" identisch sein.

Die Beschäftigung mit den kleinsten graphischen Kleinkunstwerken regt zu vielen Fragen an. Der Laie fragt oft: Was sind Marken wert? Nun, die Preise liegen zwischen dem absoluten Nichts und dem Unerschwinglichen der Tresor-Kostbarkeiten. Längst ist die Philatelie über das belächelte Markensammeln hinausgewachsen. Für manche Sammler sind Stempel bereits wichtiger geworden (Bahnpost-, Schiffspost-, Feldpost-, Sonder-, Luftpoststempel). Bei Vorphilabriefen und Ganzsachen, bei Ansichtskarten und Postdokumenten handelt es sich überhaupt nicht mehr um die bunten Papierchen.

Museales Interesse findet immer das, was aufhört, in der Realität zu existieren. Auch der Sammler sollte ein waches Auge dafür haben, was allmählich selten wird, aber noch nicht recht ins philatelistische Bewusstsein gedrungen ist. So wären zu beachten: Firmenfreistempel der 20er und 30er Jahre, Behördenfreistempel aufgelöster Landratsämter, die ein-, zwei-, und dreistelligen Postleitzahlen (weil es ja künftig nur noch vierstellige geben wird), Tagesstempel nicht mehr existierender Postämter usw. Dies alles sind einstweilen noch übersehene Dinge, die preislich fast nichts wert sind. Hier ist das Betätigungsfeld der Papierkorbphilatelie. Findet man auch keine kostbaren Briefmarken, so doch Werbestempel, die für einen Motivsammler interessant sein können oder für einen Heimatsammler oder auch für einen PLZ- Sammler. Und vor allem: was sich im Papierkorb findet, ist echte Bedarfspost und keine philatelistische Mache.

Noch ein Gedanke scheint mir beachtenswert. Die klassische Philatelie hat Maßstäbe und Grundsätze entwickelt, die nur zögernd in die moderne Philatelie eindringen. Begriffe wie Pärchen, Dreierstreifen, Viererblocks, Oberränder, Eckrandstücke. Briefstücke, Mischfrankaturen usw. sind bei neuzeitlichen Sammelgebieten durchaus noch nicht selbstverständlich. Aber auch das Neue wird einmal alt, das Moderne einmal klassisch. Es ist doch einleuchtend, dass eine wertlose Marke aus einem Hunderterbogen dadurch aufgewertet wird, wenn es sich um ein Eckrandstück handelt. Unter 100 Marken gibt es nur 4 Eckränder.

Und noch ein letzter Gedanke. Es ist kein Geheimnis, dass unsere Zeit geschichtsblind ist. Hier vermag die Philatelie einen Mangel auszugleichen, denn sie kann einen Einstieg in die Schächte des Historischen bedeuten. Sie ist die Brücke zum geschichtlichen Verständnis in doppelter Hinsicht: einmal führt die Beschäftigung mit Briefmarken, Stempeln, Briefen usw. fast automatisch zu postgeschichtlichen Forschungen; zum anderen führen die meisten Markenmotive zurück in vergangene Jahre, Jahrzehnte, Jahrhunderte, ja sogar Jahrtausende (archäologische Motive!).

Möge der weltweiten Philatelie und unserem kleinstädtischen Verein noch eine große Zukunft beschieden sein!

 

(Aus der Festschrift anlässlich des 40jährigen Vereinsjubiläums 1979)